Alles hängt mit Allem zusammen

Die gegenwärtige Debatte wird unter dem Eindruck der über uns einbrechenden Migrationszahlen hoch emotionalisiert in Bevölkerung und Politik geführt, zunehmend entsteht der Eindruck, dass persönliche Angriffe die Diskussion über die Art der nötigen Reaktionen überlagern.
Nachdem, zumindest unterschwellig, bei den meisten Politikern angekommen ist, welch sozialen Sprengsatz derartige Migrationszahlen bergen, und die Vorstellung einer Integration in eine bisher relativ homogene Volksgruppe langsam dem Realismus ob der Unmöglichkeit dessen weicht, ist die Diskussion an dem Punkt der unmittelbar nötigen, drastischen Reduzierung der Zuwanderungszahlen zu hoher Einigkeit gekommen, auch wenn manche offiziell noch nicht ihr idealistisches multikulturelles Weltbild in Frage stellen, aber auf die faktische Überforderung der Nation verweisen.

Die Massnahmen um die Zahlen wieder zurückzuführen sind nun Gegenstand und Spielfeld weltanschaulicher Neigungen geworden.
Hierbei wird meist nicht zwischen den verschiedenen Massnahmen und ihren zeitlichen Effekten unterschieden, aber wenn ein Politiker ansetzt, um ein Bündel an Massnahmen und ihre Verzahnung in den Effekten zu erläutern, wird er oder sie von Medienseite auf ein oder zwei Elemente reduziert dargestellt. diese Simplifikation ist armselig, aber Spiegelbild der modernen journalistischen Arbeitsweise, und die heutige Politikergeneration nimmt sie letztlich auch selbst zu gerne auf.

Wenn einerseits zu beklagen ist, dass verschiedene Massnahmen in verschiedenartiger Geschwindigkeit greifen, ist immer noch der Punkt offen, was greift wie schnell?

Am schnellsten würde wohl ein offizielles statement unserer Kanzlerin greifen, in dem sie an mögliche Migranten gewandt, ankündigt von Staatsseite ab sofort äusserst restriktiv zu handeln, da die Aufnahme nicht weiter möglich ist.
Dies ist nicht zu erwarten, da dies mit der Glaubwürdigkeit der Kanzlerin direkt zusammenhängt, und nachdem sie sich im September meinte aus machtpolitischen Gründen gegen die CSU stellen zu müssen, kann sie ihre Aussage kaum revidieren, ohne nach ihrer eigenen Auffassung das Gesicht zu verlieren.

Frau Dr. Merkel ist eine exzellente Machtpolitikerin, mit dem Gespür für das Moment, dabei ohne eigene Loyalität zu empfinden, wie bei Dr. Helmut Kohl in der causa Spendenaffäre CDU, ihrerseits aber Loyalitäten einfordert, wenn nötig. Dennoch fehlt ihr durch die Sozialisation in der DDR die Wendigkeit, die westliche, gewachsene Politikerpersönlichkeiten haben, die auf sich verändernde Rahmenbedingungen ihren politischen Standpunkt anpassen, oder wie einst Adenauer sagte: “Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.”
Frau Dr. Merkel ist keineswegs stur, weiss auch um die Umfragewerte, stellt aber den möglichen innerparteilichen Machtverlust über diese Erkenntnis, da sie zudem sicher ist den richtigen Weg zu verfolgen.

Hier ist sie ganz klar Naturwissenschaftlerin, studierte, promovierte Physikerin, wie viele andere gewohnt ergebnisorientiert in Protokollen zu denken und, das muss an dieser Stelle allen mal gesagt werden, sie hat Recht, aber anders als sie es selbst meint.

Ihr Mantra die Aussengrenzen besser zu schützen und die Fluchtursachen zu beseitigen ist sicher der richtige Ansatz, wenn man von zwei Voraussetzungen ausgeht, dass nämlich andere EU-Länder mitzahlen wollen, und der Nato-Partner Türkei seine Grenzen schliessen kann. Das Denkmuster einer Physikerin Angela Merkel sieht hier den logischen Ansatz um das Ziel der Erhaltung des Schengenraums zu erreichen.
Dabei geht sie von zwei falschen Annahmen aus.

Erstens meint sie, dass sie sobald sie die Niederungen der innerparteilichen Ränkespiele verlassen hat, sie auf edel gesinnte Staatsmänner auf Augenhöhe trifft, somit keine Ränkespiele mehr anzutreffen. Diese anderen Staatsmänner sind aber ebenso innenpolitisch unter Druck und andererseits mit Schadenfreude dabei zuzuschauen, wie Deutschland als einer ihrer stärksten Konkurrenten auf dem globalen Markt und um die Dominanz in Europa gerade Suizid begeht. Alles, was man dazu tun muss ist die Taschen für Türkei, Jordanien und Libanon geschlossen und die Füsse still zu halten, was die Aufnahme von Migranten angeht.
Daheim gut verkäuflich, wenn man in Belgien, Niederlande, Spanien, Frankreich und Grossbritannien schon genügend Probleme mit existierenden Parallelgesellschaften hat.

Zweitens glaubt sie, dass die Türkei in der Lage ist, die Zahl der Ausreisenden wirksam zu begrenzen, und dazu auch willens ist. Hier wird unterschätzt, dass zum einen die Struktur des türkischen Militärs eine ganz andere unter Erdogan wurde, als sie es früher war. In der Armee wurden islamistische, nationalistische Tendenzen gefördert, einhergehend mit einer erhöhten Korruptionsanfälligkeit. Hier besteht schon an der Basis kein Interesse Glaubensbrüder von der Einreise in die EU abzuhalten, gegen Bakschisch schon zweimal nicht. Vom Willen der Regierung in Ankara brauchen wir nicht reden, ist langfristig strategisch jeder Migrant aus dem arabischen Gürtel von Marokko bis Pakistan oder sogar aus Bangladesch und Indonesien der nach Deutschland geht willkommen. Frau Dr. Merkel fehlt die Phantasie sich in solch langfristige Planungen einzudenken.

Und dennoch, ich bestehe darauf, hat sie Recht! Ihr Lösungsansatz ist richtig und der Schnellste dazu.

Nur, der Adressat ist falsch!
Der Adressat wäre Griechenland. Griechenland hat ein verhältnismäßig übergrosses Militär, das kaum von Sparmassnahmen getroffen wurde, eine ausgezeichnet ausgerüstete, gut ausgebildete Marine und hat Tradition darin seinen Nachbarn zu belauern, so dass in den vergangenen Jahrzehnten kaum ein türkischer Soldat unbemerkt die Grenze hat übertreten können.
Griechenland könnte die Aussengrenze leicht abdichten! Der Spuk wäre sofort vorbei, Boote auf Haken nehmen, zurück an die türkische Küste, militärisch mit EU-Ländern und der Türkei kooperiert, von Seiten der EU Griechenland und dieTürkei für die Einsatzhilfe und das Anlanden bezahlen und es wäre sofort vorbei.
Warum wendet sie sich nicht an diesen Adressatenß
Sie weiß, Griechenland will nicht, die brauch ich nicht zu fragen-und das muss man fast verstehen.

Tsipras hat Europa gedroht es mit Migranten zu fluten, hat denn da keiner zugehört?

Die Griechen wollten primär ihre untragbaren Schulden los werden, und zudem die auch m. E. in Teilen sinnfreie Sparpolitik beenden.
Wünsche, die mit den Euro Vertragsstatuten schwer vereinbar sind.
Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro, eine Umstellung der Staatsschulden auf Neo-Drachme hätte eine vertragskonforme “Entschuldung” mit sich gebracht, dem Land den nötigen Atem gegeben, der EU die Mittel in die Hand gegeben echte Konjunkturprogramme zu fördern, und alle Staatshaushalte der EU-Länder von versteckten Risiken aus Rettungsschirmen freigehalten, wenn auch zu echten Abschreibungen gezwungen.
Dr. Wolfgang Schäuble hatte das klar erkannt und ohne den Griechen das Wort zu reden, ihnen doch aus der Ecke helfen wollen, auch wenn es “verrückte” Linke sind. Hier waren er und Varoufakis auf einer Linie, und das gegenseitige Geknurre war Teil eines klassischen Spiels. Wenn da nicht jemand mit dem Füllhorn aller Europäer und ohne strategischen Plan mitgespielt hätte und alle zwang ihr zu folgen..
Ein Tsipras, und ein ganzes Volk haben das nicht vergessen, und so, wie halt alles mit allem zusammenhängt zahlen wir jetzt den Preis für die Uneinsichtigkeit unserer deutschen Politik.

Wie konnte das passieren?

Frau Merkel hat auch in dieser vorhergehenden und mit dieser unmittelbar zusammenhängenden Krise gehandelt, wie sie es gewohnt ist, erst das Wunschziel zu definieren und dann mit dem üblichen, einzig gelernten, dem unter Kanzler Dr. Kohl sozialisierten Protokoll des Geldausgebens dieses Ziel erreichen, ob dabei Regeln, Gesetze, Verträge, Verfassungen gebrochen werden und Schulden entstehen, stellt sich nicht als Frage, wenn ihr übergeordnetes Ziel dagegen steht. Euroraum sichern, Schengenraum sichern, Macht sichern.
Dem Diktat müssen sich alle beugen, dem “vom Ende” her gedachten. Eigentlich stehen zwischen Ausgangsposition und Endergebnis viele Wege offen, aber der Naturwissenschaftler neigt zu den Standards.
Nun, nicht jeder Physiker ist ein Newton, oder ein Einstein, das heisst, nicht jedem Naturwissenschaftler ist gegeben über die Vorlagen/Protokolle hinaus Genialität, Kreativität zu haben, und dann können neue, unbekannte Probleme eben nicht mehr mit den alten Gleichungen und Versuchsanordnungen, auf den gleichen Wegen gelöst werden. Deshalb gibt es Forschung und Fortschritt.

Frau Dr. Merkel hat eine respektable magna cum laude Promotion in Chemie geschrieben. Der Verfasser ist über Chemie-Leistungskurs, Chemie als Hauptfach im US-Bachelor, und Chemie als Teil des medizinischen Vorstudiums in Deutschland qualifiziert genug, um dem Urteil des Lehrstuhlchefs in München beizupflichten, dass von ihr “handwerklich sauber” , wenn auch “ohne grundlegenden wissenschaftlichen Neugewinn” gearbeitet wurde und die Benotung verdient ist.
Heute werden derartige Fragestellungen mittels Computer durch eine chemisch-technische Assistentin in Stunden angefertigt.
Damals waren solche Tabellen aber eben das Ergebnis von in Fleissarbeit erbrachten Doktorarbeiten.

Nur, das genau, nicht mehr nicht weniger, eine Fleissarbeiterin, ist unsere Kanzlerin, und so persönlich, wenn auch aus falschem Grunde es gerade oft gegen sie zur Sache geht, man muss feststellen, dass alle Probleme, die im Moment Deutschland am schwersten belasten und die Zukunftsfähigkeit infrage stellen, allein an der Denkweise einer einzelnen Person festzumachen sind, und es deshalb am Schluss dann doch wieder persönlich wird.

Frau Dr. Merkel hat´s verschusselt.

Was folgt?

Die CDU wird den Tag noch verfluchen, als sie der Königsmörderin den Vorsitz überließ und dabei weiter zusah wie sie die echten “Kronprinzen” ohne Zahl politisch ermordete. Aus der Geschichte kann man lernen, dass die besten, sichersten “regna” immer durch Personen erfolgten, die sich nicht an die Macht putschten, und die um sich die Besten versammelten, gleich wie groß sie neben dem “rex” wirkten, und wie das Gegenteil zutraf. Mit innerer Gewalt geschaffene Reiche waren nicht von Dauer und mit wenig Frieden für die Bevölkerung verbunden.

Da Mut und Persönlichkeit in weiten Teilen der Bundes -CDU nicht mehr vorzufinden sind, steht zu befürchten dass diese Partei, wie in Italien und Griechenland, über kurz oder lang in der Bedeutungslosigkeit versinkt.
Und so traurig es auch ist, dass eine liberale Partei in Deutschland über den Exotenstatus nicht hinauskommt, sich aber auch im Parteiprogramm nicht so richtig liberal und frisch zeigt, umso erfreulicher ist es, dass eine völlig querdenkende, noch nicht so furchtbar erstarrte Partei wie die AfD steigenden Zuspruch erfährt.

Da aber alles mit allem zusammenhängt, bleibt eben die Hoffnung, dass aus dieser Krise des Landes und der CDU Andere gestärkt hervorgehen, nicht zuletzt die CSU.

Peter Sch., München
(Name und Adresse sind der Red. bekannt)

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Ein Gedanke zu „Alles hängt mit Allem zusammen

  1. “Und dennoch, ich bestehe darauf, hat sie Recht! Ihr Lösungsansatz ist richtig und der Schnellste dazu.” da bin ich anderer Ansicht udn ich bin nicht alleine. Merkel hat doch erst in die Welt die Einladung posaunt und die Menschen dazu gebracht, sich auf den Weg nach D zu machen. Heute ist auf Welt online zu lesen:
    “Ist Merkel schuld an Flüchtlingskrise? Wer sonst?”
    Der Migrationsforscher Paul Collier weist allein Angela Merkel die Schuld an der Flüchtlingskrise zu. Die deutsche Einwanderungspolitik habe niemanden gerettet – sondern “eher Tote auf dem Gewissen”.”
    (…) Die Welt: Müssen wir uns darauf einstellen, dass sich halb Afrika auf den Weg macht?
    Collier: Das Chaos in vielen afrikanischen Staaten nimmt definitiv zu. Der frühere Weltbank-Ökonom Serge Michaïlof vertritt ja die These, dass die Region südlich des Äquators das nächste Afghanistan werden könnte. Dort leben etwa 100 Millionen Menschen, und vor allem in Mali und im Niger ist die Lage bereits sehr instabil. und dann kommt da die deutsche Kanzlerin und spricht davon, dass Europas Türen offen sind. Überlegen Sie doch einfach mal, wie das bei diesen Menschen ankommt.
    Die Welt: Sie meinen, Angela Merkel ist schuld an der Flüchtlingskrise in Europa?
    Collier: Wer sonst? Bis zum vergangenen Jahr waren Flüchtlinge für Europa kein großes Thema. Ich verstehe bis heute nicht, warum Frau Merkel so gehandelt hat. Sie hat Deutschland und Europa damit definitiv ein gewaltiges Problem aufgebürdet, das sich nun auch nicht mehr so einfach lösen lässt.

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